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Angriff auf die Freiheit?

Mit diesem Kampfbegriff der USA ist ein Büchlein übertitelt, das sich Ursachen wie Folgen des 11. September 2001 widmet. Die Beiträge von AutorInnen aus verschiedenen Kontinenten stammen aus dem September und Oktober 2001 und konnten daher das weitere Geschehen erst erahnen, doch die pessimistischen Annahmen einer der dauerhaftesten Kritiker der Außenpolitik der USA, Noam Chomsky, wurden allemal bestätigt. Chomsky vermutete eine rein militärische Lösung mit eskalierenden Kriegsszenarien, die unmittelbar vor allem von der ohnehin von jahrzehntelangen Bombardierungen dezimierten Bevölkerung Afghanistans erneut große Opfer verlangen würden.

Bestätigt wurde dies schon in den ersten Kriegstagen durch einen Korrespondenten der britischen Zeitung Independent, von dem drei Beiträge in dem Buch enthalten sind. Der Autor verweist auch auf die schwierige Lage, der JournalistInnen, die nicht in das Kriegsgeheul nach Vergeltung einstimmen, ausgesetzt sind. Sie werden von einer mehr als seltsamen, historisch jedoch nicht neuen Koalition aus Rechten und eines Teils der Linken in die Zange genommen, die jede differenzierte Auseinandersetzung über die Ursachen des radikalisierten Widerstands in den arabischen Ländern gegen die USA und die verbündeten Länder bzw. Regierungen mit dem Totschlagargument des Antiamerikanismus bzw. in Verbindung mit Antisemitismus beantworten.

Mehrere AutorInnen aus dem Süden werfen die übergreifende Perspektive auf, dass die Mehrheit der Bevölkerung in ihren Ländern bzw. Kontinenten permanentem Terror ausgesetzt ist, der niemals auch nur Erwähnung findet oder gar gerichtlich geahndet wird. Der chilenische Schriftsteller Ariel Dorfman weist darauf hin, dass der 11. September in Chile eine ganz andere Bedetung hat: Am 11. September 1973 putschte Pinochet gegen Allende, was tausenden RegimegegnerInnen das Leben kostete. Die beiden InderInnen Arundhati Roy und Vandana Shiva bezweifeln drastisch die Motive der Regierung eines Landes, das "marodierenden Konzernen" erlaubt ein anderes Land zu zerstören. Es gehört etwa zu den selbstredenden Konsequenzen des Freiheitsbegriffes der US-Administrationen, dass die Geschäftsführung von Union Carbide, die 16.000 Tote in Bhopal auf dem Gewissen hat, nicht nach Indien ausgeliefert wird, geschweige denn, dass dafür die USA bombardiert werden.

In den meisten Beiträgen finden sich Hinweise darauf, dass der Schlüssel der Anschläge auf das World Trade Center in mindestens drei Konflikten des arabischen Raumes zu finden ist: der israelischen Unterdrückungspolitik gegen die PalästinenserInnen, der Sanktionspolitik gegen den Irak und der Aufrüstung fundamentalisitischer Gruppen im Zuge des Afghanistankrieges der Sowjetunion und in weiterer Folge zur Destabilisierung der südlichen Sowjetrepubliken im Zuge der Auflösung der UdSSR.

Abgerundet wird das dünne Büchlein, das überraschend viele Aspekte übersichtlich in die Sachlage einbringen kann, durch eine Einschätzung der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch über die Oppositionsgruppen gegen die Taliban. Eine grimmige Allianz, die sich da gebildet hat, die mit Freiheit wohl nichts gemein hat.

 

Wolfgang Haug (Hrsg.)
Angriff auf die Freiheit?

Hintergründe, Analysen, Positionen
Die Anschläge in den USA und die "Neue Weltordnung"
Trotzdem Verlag
121 Seiten
12 Euro

aus TATblatt Nr. +183 vom 14. März 2002

 
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