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Kampagne gegen Tierversuchsfirma HLS

Einen neuen Höhepunkt erreichte die Kampagne gegen Huntingdon Life Sciences als im Jänner die Privatbank Stephens Inc. erklärte, nach 13 Monaten ihre Beteiligung von 16% der Aktien abzustoßen und den Kredit, Stephens ist der einzige Kreditgeber von HLS, an unbekannte Investoren zu verkaufen. Damit ist HLS, in dessen Laboratorien täglich 500 Tiere bei Tierversuchen für Konzerne umgebracht werden, einen entscheidenden Schritt weiter zum endgültigen Ende. Die Welt der Konzerne ist besorgt, daß die Methoden zur Vernichtung von HLS von anderen Gruppen aufgegriffen werden könnten. Beim Weltsozialgipfel in Porto Alegre wurde von zahlreichen Gruppen beschlossen, Konzerne koordiniert zum Ziel von Angriffen zu machen.

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Vor 13 Monaten sprang Stephens Inc. aus Little Rock, Arkansas, ein und rettete HLS vor dem Zusperren, nachdem sich in Großbritannien keine Bank mehr gefunden hatte die HLS ein Konto, geschweige denn einen Kredit geben wollte. Damit begann nach der äußerst erfolgreichen Kampagne in Großbritannien, die u.a. die Royal Bank of Scotland und die Barclays Bank zum Rückzug von HLS gezwungen hatte, eine für die USA bisher einzigartige Erfahrung, und diese mußte Warren Stephens, Präsident von Stephens Inc., höchstpersönlich ausbaden. Die Involvierung von Stephens Inc. war durch einen Besuch von Premierminister Blair beim damaligen US-Präsident Clinton ausgeheckt worden, und Stephens bot sich als Investmentbank schon deshalb an, weil Stephens Inc. im Heimatort von Clinton seine Zentrale hat und die persönlichen Vermögen von Clinton und Bush verwaltet. Doch den Methoden der US-TierrechtlerInnen, die in den USA einen Ableger von Stop Huntingdon Animal Cruelty (SHAC) aus Großbritannien gründeten, war Stephens nicht gewachsen. Laufend gab es Demos vor und in Filialen der Bank, bei mehreren Demos in Little Rock wurde die Kleinstadt in eine Polizeifestung verwandelt und zahlreiche bei Stephens engagierte Institute wie die Bank of America erlebten überraschende Aktionen. Der Bürgermeister von Little Rock hatte angesichts der das Budget der Stadt sprengenden Polizeiaufmärsche rasch genug und forderte von Stephens HLS fallenzulassen.

Wöchentliche Demos in mindestens einer Bankfiliale sorgten für aufgeregtes Klima, Angestellte wurden auf Flugblättern mit Infos über ihren Chef versorgt und es zeigten sich trotz markiger Durchhalteparolen von Warren Stephens grobe Risse. Ein Indiz für den Erfolg ist, daß zahlreiche Angestellte von Stephens Inc. die Kampagne permanent mit internen Informationen, wie Memos oder Verträgen, versorgen, ohne daß Stephens das abstellen kann.

Längst ist jede Vorgabe eines Optimismus nach Außen verpufft: "We don't have a bank, we don't have a listing and everybody views us as a pariah", gestand Andrew Baker, Vorsitzender von HLS in den USA, am 31. Jänner der Zeitung Arkansas Business. Damit bestätigte er, was SHAC schon seit Monaten behauptet, nämlich daß HLS im Grunde am Ende ist. Bei Warren Stephens führten einige persönliche Erlebnisse letztlich dazu, daß auch er sein Ende der Unterstützung für HLS verlautbarte. Da wurde zunächst sein Haus in New York von der ALF besucht, Lampen und Scheiben eingeschlagen, Farbbeutel auf die Fassade geworfen und Slogans gesprüht, wobei die TäterInnen trotz Alarmanlage entkamen. Warren wurde eine Nachricht, daß die ALF wiederkommen würde, hinterlassen.

Dann kauften Unbekannte auf Rechnung seiner Kreditkarte und jener seiner Frau um 100.000 US$ alles mögliche ein. Laut BekennerInnenschreiben erwarb er beispielsweise eine Waschmaschine, Dutzende Flugtickets für 30.000 US$, für zehntausende Dollars Computer, die über die ganzen USA verteilt "als Geschenk" zugestellt wurden, zahlreiche Abos für Sexhefte auf seine New Yorker Privatadresse, Kaffeemaschinen und mehrere Dutzend Aktenvernichter.

Schon Monate zuvor hatten ehemalige Collegekollegen aus Little Rock Warren als "dopehead" und "dealer" geoutet. Laut deren Anzeigen an die Staatsanwaltschaft hatte Stephens in seiner damaligen Zeit nicht nur selbst eingeworfen, sondern auch im großen Stil gedealt. Außerdem wurde seine halbe Vorstandsetage, alles FreundInnen aus seiner Jugendzeit, als notorische "cokeheads" entlarvt. Diese Entlarvungen ergaben sich dadurch, daß bei den Demos in Little Rock mehrere ehemalige Bekannte Warrens von der Polizei verprügelt worden waren und sich so an ihm rächten.

Am 15. Jänner kündigte Warren den Verkauf seines Aktienpaketes mit den Worten "wir sind mit dem Ergebnis der Investition zufrieden". Stephens Inc. verkauft die Aktien zu einem Viertel des Wertes beim Einstieg, wie die Financial Times süffisant bemerkte.

Trotzdem ist die Sache für Stephens Inc nicht ausgestanden. Als neuer Investor wurde eine waghalsige Konstruktion im Bundesstaat Maryland gewählt, wo AktionärInnen unter 5% Anteil an einer Firma nicht genannt werden müssen; die Gesellschafter der Auffangesellschaft für den Kredit haben ihren Sitz auf einer Karibikinsel. Damit soll vermieden werden, daß der neue Investor sofort wieder zur Zielscheibe von Aktionen wird, doch dürfte der Schuß nach hinten losgegangen sein. Zugleich wurde der Firmensitz nämlich von Großbritannien in die USA verlegt, wo lockere Buchhaltungsregeln gelten. Aus einem Dauerverlust in Großbritannien wurde plötzlich ein Gewinn in den USA, was natürlich kein Mensch glaubt.

HLS war nun zwar die strengeren britischen Börsegesetze los und die Firma verabschiedete sich von der britischen Börse. Doch an den US-Börsen ist es Pflicht einen Makler zu haben, und HLS hat keinen. HLS wird auch keinen mehr bekommen, denn alle Makler in den USA wurden von SHAC vorbeugend gewarnt was ihnen blüht, wenn sie HLS-Aktien handeln. Damit ist HLS zwar nun in den USA, aber die Aktien können nicht gehandelt werden. Und das, obwohl eine Aktie voraussichtlich um ein preiswertes Zehntel Pence (etwa 2 Groschen) zu haben sein wird.

SHAC hat von Stephens Inc. verlangt, daß Beweise für den Abzug der Investition an HLS vorgelegt werden, d.h. die Nennung des Nachfolgeinvestors. Das lehnt Stephens ab. Daher geht SHAC weiterhin davon aus, daß Stephens Inc. an HLS beteiligt ist und die Aktionen gehen weiter.

Mittlerweile dürfte Stephens etwas in Panik geraten. sein. Immerhin kündigte ein Vermieter im Zentrum von New York kurzfristig den Mietvertrag für eine Bankfiliale mit Hinweis auf die lästigen Demos und Stephens mußte seine Filiale aufgeben. Am ersten Tag des Einzugs in die neue Filiale fand auch dort eine Demo statt, der Vermieter wurde wiederum auf die Gründe für die Demo ausführlich aufmerksam gemacht. Die Informationen über den Umzug, neue Telefonnummern usw. erhielt SHAC auch diesmal von Angestellten von Stephens Inc.

In internationalen Zeitungen wird mittlerweile große Besorgnis über den Erfolg der HLS-Kampagne geäußert. Zunächst wird einhellig festgestellt, daß die Übersiedlung von HLS in die USA der dortigen Tierrechtsbewegung einen enormen Schub verschafft hat. HLS brachte Methoden und Organisationsformen in die USA, die bisher von US-Firmen als "glücklicherweise nur in Europa" betrachtet wurden.

Mindestens ebenso besorgt sind InvestorInnen darüber, daß auch andere Gruppen daraus ihre Lehren ziehen könnten. In den USA wird besonders eine Verbindung der Tierrechtsgruppen mit der Antiglobalisierungsszene befürchtet. KommentatorInnen bürgerlicher Medien weisen darauf hin, daß radikale TierrechtlerInnen stark in Friedens-, Umwelt-, Menschenrechts- und Sozialinitiativen engagiert sind und auch umgekehrt gute Kontakte bestehen. Bisher fanden diese Verbindungen jedoch noch nicht Ausdruck im Angriff auf gemeinsame Gegner. Doch damit könnte es bald vorbei sein.

Beim Weltsozialgipfel im Porto Alegre machte Greenpeace den Vorschlag einer koordinierten Kampagne möglichst vieler Initiativen gegen ExxonMobil. Das wäre aus der Sicht von Greenpeace nötig, da eine Gruppe alleine gegen einen derartigen Multi chancenlos wäre. Weitere logische von anderen Initiativen genannte Ziele wären der Genmulti Monsanto, IBM und der Pharmamulti Pfizer wegen seiner Piraterie durch Patentierungen in der Dritten Welt. Womit sehr einfach erklärbar ist, wie es zu solchen Allianzen kommt: Pfizer ist Auftraggeber für Tierversuche bei HLS.

aus TATblatt Nr. +181 vom 2.Februar 2002

 
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