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Wehrhaftes Christentum im O-Ton

Eigene Meinung als Sünde - Osama Bin Laden als Nachhilfelehrer

Als wahre Vorbilder in Sachen Demokratie, Toleranz und Menschenliebe erwiesen sich zum Jahreswechsel wieder einmal die Würdenträger der katholischen Kirche in Österreich: Von Osama Bin Laden als Werkzeug Gottes bis zum Sündenfall durch freie Meinungsäußerungen haben die österreichischen Bischöfe so ziemlich alles postuliert, was sie als Vertreter rückwärtsgewandter Ideologien ausweist. Das TATblatt zitiert die Theoretiker der österreichischen Regierungsparteien.

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Einiges gut zu machen hatte der steirische Diözesanbischof Kapellari: Er hatte im September dem Islam pauschal unterstellt, eine "radikale Religion mit einer begrenzten Toleranz" zu sein und Reziprozität in der gesellschaftlichen Öffnung eingefordert: "Ich denke schon, dass unsere Zivilgesellschaft sich überlegen muss, wenn sie dem Islam die Türen öffnet, was sie zur eigenen Identität tun soll. Sie muss Reziprozität einfordern. Wenn in manchen deutschen Städten der Muezzin bald vom Minarett rufen wird, warum dürfen dann in Kuwait nicht einmal hinter den verschlossenen Türen eines Hotelzimmers italienische Gastarbeiter mit einem eingereisten Kaplan die Messe feiern?" Die bischöflichen Worte waren mit Sicherheit Balsam auf die Mensur-Wunden des FPÖ-Rechtsaußen Ewald Stadler, der bereits vor sechs Jahren "wehrhaftes Christentum" gegen "Überfremdung" gefordert hatte.

Die Pauschalisierung des Islam mixte Kapellari noch mit einem Schuss fundamentalistischer Kritik der Moderne: Der Islam "achtet keine schwache, ausgelaugte Gesellschaft. Ich kenne viele Moslems, die sagen: Der Westen ist kaputt. Keine Kinder, die Ehen zerbrechen, nur noch Technik, eine verrottete Gesellschaft. Die Muslime würden ein lebendigeres Christentum auch mehr achten." Da kann sich wohl Andreas Khol mit seiner Vision der Bürgergesellschaft das herausholen, was er als "Christlich-Sozialer" an ideologischem Unterfutter wünscht.

Für seine Aussagen unter anderem von einer Reihe katholischer Laienorganisationen, aber auch von der Europäischen Rassismus-Beobachtungsstelle kritisiert, verünglückte Kapellari schließlich bei einem Rettungsversuch in seiner Neujahrsansprache: Muslime hätten anzuerkennen, dass "die Gleichsetzung von islamischer Religion und Gesamtgesellschaft nicht angestrebt werden darf. Wenn der Islam in den europäischen Staaten stärker wird, dann wird es große Schwierigkeiten geben, falls seine Bereitschaft zur Einfügung in eine plurale Gesellschaft nicht klar gegeben ist". Um schließlich zu seiner heißgeliebten Reziprozität zurückzufinden: Man müsse hier zu Lande auch sagen können, "dass Christen in islamisch dominierten Ländern nicht unterdrückt werden dürfen, wenn Muslime in christlich geprägten Ländern voll akzeptiert werden sollen". Generell könne gesagt werden, "dass die christlichen Kirchen, zumal die Kirchenleitungen, den Muslimen sehr offen und freundlich begegnen". Wenn aber Probleme einseitig nicht benannt werden dürften, dann werde dies "mittelfristig dem interreligiösen Frieden wie dem Frieden zwischen Völkern und Staaten abträglich sein". Die Ankündigung, muslimische BosnierInnen oder AlbanerInnen zu diskriminieren, weil Kuwait keine religiöse Toleranz kennt, wird manchen FPÖ-ler mit Sicherheit beflügeln.

Dabei hätte Kapellari gute Gründe, nicht nur seine eigene "Bereitschaft zur Einfügung in eine plurale Gesellschaft" zu hinterfragen, sondern insbesondere jene seine Bischofskollegen Küng (Vorarlberg) und Krenn (St. Pölten). Ersterer hatte nämlich die Neujahrsansprache dazu genutzt, Osama Bin Laden indirekt mit Gottes Segen auszustatten: "Die Weltereignisse der vergangenen Monate können durchaus als Nachhilfeunterricht Gottes verstanden werden", erklärte Küng mit Verweis auf den 11. September 2001, auf das Attentat im Regionalparlament des Schweizer Kantons Zug sowie den wirtschaftlichen Absturz der Swissair. All das könne als "Wink mit dem Zaunpfahl" gedeutet werden, mehr auf Gottes Wort zu hören und das Leben noch bewusster als bisher christlich zu gestalten, betonte Küng.

Während Küng, früher Chef des Österreich-Ablegers von Opus Dei, den versammelten Gläubigen den Terror quasi als Werk Gottes präsentierte, nutzte der St. Pöltner Dözesanbischof Krenn seine Neujahrsansprache für eine Lektion in Sachen gelebter Demokratie: Nach dem üblichen Verweis auf Sittenverfall und der verwerflichen Tendenz, Genuss und Lustgewinn vor Gott zu stellen (wo doch Gott andere Pläne mit den Menschen hätte) kritisierte Krenn, dass "manche Priester und Laien ständig an Papst, Bischof und Seelsorger Kritik" übten. Es könne aber nur eine Glaubenslehre in der Kirche geben, nämlich "die Pastoral, die der Diözesanbischof festlegt und mit der Hilfe aller Priester und Gläubigen in der Diözese leitet". Der Bischof sei in seiner Diözese der verantwortliche Lehrer des Glaubens. Alle Priester und Gläubigen müssten mit der Glaubenslehre des Bischofs übereinstimmen. Wer Papst und Bischof nicht hören wolle, sündige gegen den Glauben der Kirche.

Was sagte noch einmal Kapellari: "Es wird große Schwierigkeiten geben, falls seine Bereitschaft zur Einfügung in eine plurale Gesellschaft nicht klar gegeben ist." Sein Wort in der Göttin Ohr...

 

aus TATblatt Nr. +180 vom 18. Jänner 2002

 
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