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"Die Paradekiberer"

Nach der Tötung eines angeblichen Drogendealers durch die Polizei richtet sich erneut schwere Kritik gegen das Kommissariat Ottakring, Georg Rabensteiner und die SEK

Am Abend des 19. Mai 2000 wird ein in seinem Auto sitzender Mann von einem Kriminalbeamten erschossen. Offizielle Stellen (u.a. Polizeipräsident Stiedl) wehren Kritik schon im Vorfeld ab und versuchen den Tathergang als Unglücksfall darzustellen. Seither verdichten sich allerdings die Vorwürfe, dass sich einiges nicht so zugetragen haben kann, wie die Polizei es geschildert hatte.

Federführend bei der verdeckten Aktion waren wieder einmal die Kriminalbeamten des Kommissariats Ottakring, deren Leiter Major Georg Rabensteiner nicht nur durch die Gründung der Sondereinsatzgruppe Kriminaldienst (SEK) negativ in Erscheinung trat...

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G. Rabensteiner

Bereits 1997 wurde Major Georg Rabensteiner der Raiffeisen-Sicherheitsverdienstpreis zuerkannt, berichtet stolz das Magazin "Öffentliche Sicherheit". "Rabensteiner ist derzeit unser Paradekiberer", lobte damals der Wiener Polizeipräsident. Und mit den "außerordentlichen Tätigkeiten"  Rabensteiners und seines Teams - den Kriminalbeamten des Kommissariats Ottakring sind tatsächlich die Archive gefüllt: "Reifenschlitzende Mountainbiker werden nach wilder Jagd durch Warnschüsse aus Dienstpistolen gestellt; mutmaßliche Dealer des Milosevic-Clans werden aus dem Verkehr gezogen; nächtelang mussten sich die Beamten des Kommissariats Ottakring die Zehen abfrieren, um einen Zigarrettendieb zu schnappen; Walter mit seinem Pitbullterrier wird ausgeforscht; kriminellen Hausierern und Asphalthändlern wird nachgestellt; Star-Checker und Superhändler (bullig und kräftig) leisten nicht einmal mehr Gegenwehr, ..."(aus Artikeln des Kuriers der letzen drei Jahre, meist verfasst von P. Grolig).

Nicht genug

Es scheint dem Paradekiberer mit den besten Medienkontakten das Nachstellen von Handtaschldieben allerdings nicht zu genügen. So konzentriert sich Rabensteiner (bzw. das Kommissariat Ottakring) schwerpunktmäßig mit Aktionen gegen in Österreich lebende Schwarzafrikaner, denen Drogenhandel in großem Stil vorgeworfen wird:

Der Öffentlichkeit besonders bekannt wurden großangelegte Razzien und Massenverhaftung im Rahmen der sogenannten "Operation Spring":

Zum Beispiel die Razzia in einem Gesellenheim der Stadt Wien in Favoriten, in dem vor allem junge Menschen aus Afrika lebten, und ein Sozialheim in Hernals (Verein für soziale Integration). Elf Kommissariate standen Rabensteiner damals bei.

Bei einem weiteren Einsatz im "Caritas"-Heim in Wien-Neubau muss Rabensteiner die WEGA beiziehen.

In vielen Fällen werden den amtshandelnden Beamten dabei sinnlos eingetretene Türen, Vernichtung teilweise des gesamten Eigentums dort Wohnender und zumindest "der unsensible Umgang mit traumatisierten Kriegsflüchtlingen", wenn nicht gar die Misshandlung Festgenommener vorgeworfen. "Wir haben uns im Gegensatz zu den Dealern an die Gesetze gehalten (...) Da es in diesen Kreisen immer wieder zu handfesten Widerständen kommt, haben wir die Alarmabteilung mitgenommen", meint Rabensteiner. Und Wega-Kommandant Brinek brüstet sich damit, dass "seine Burschen nicht immer lieblich aussehen".

Gründung der SEK

Und damit solche "Ruhmestaten" nicht nur der Wega zuerkannt werden, hat Rabensteiner nach einem Besuch in München die Idee, auch der Kriminalpolizei eine Sondereinsatzgruppe zur Seite zu stellen. Das TAblatt berichtete schon in Nummer 135 vom 9. März von der "freiwilligen Kripo-Wehr", die laut Rabensteiner eine Mischung aus Observation und Zugriff darstellt. Er selbst führt dann auch als Beispiel zukünftiger Aufgaben die "Operation Spring" an. Alle Mitglieder der seit 1. Februar 2000 in Betrieb stehenden Sondereinsatzgruppe SEK melden sich freiwillig zur Abrufbereitschaft rund um die Uhr, und haben spezielle Ausbildung im Bereich Observation, Selbstverteidigung, Einsatz- und Zugriffstechnik,... Hohe Professionalität will Rabensteiner seiner Truppe nachsagen. Diese allerdings konnte nicht festgestellt werden, als die SEK erstmals öffentlich, wenn auch vermummt in Erscheinung trat, als sie nach dem Opernball versuchten mit gezogener Waffe DemonstrantInnen festzunehmen und dabei von einem Kamerateam gefilmt wurden. Bei einer Haftprüfung der beiden Festgenommenen, die vorerst natürlich ins Kommissariat Ottakring verbracht worden waren, wurden auch Beamte der SEK einvernommen: "Wir sind eben keine Faserschmeichler", können sie stolz verkünden. Der Konflikt mit der Wega scheint - wenn auch heftig dementiert - vorprogrammiert. Bis August 2000 muss sich die SEK profiliert haben, denn dann läuft "die Probezeit" ab.

Die Beamten, die in die SEK aufgenommen wurden, sind laut dem in Wien erscheinenden 'Falter', zumindest teilweise keine unbeschriebenen Bätter. Drei von ihnen wurden von Amnesty International wegen rassistischen Übergriffen und Gewaltexzessen kritisiert. Und das sind ausgerechnet die Fahnder, die sich bei der Opernballdemonstration mit Strumpfmasken vermummten, um "undercover" an der Demo teilzunehmen und im Anschluss daran "zuzugreifen". Es handelt sich um die Kriminalbeamten Andreas R. und Andreas D. Mit dabei natürlich auch "Koordinator" Georg Rabensteiner. Alle drei Polizisten werden vor Gericht von mutmaßlichen Polizeiopfern schwer belastet: Andreas R., ein ausgebildeter Kampfsportler soll eine Frau im Zuge einer Ausweiskontrolle so geschlagen haben, dass sie Blutergüsse im Unterleib erlitt. Bereits einmal war R. zuvor vor dem Unabhängigen Verwaltungssenat verurteilt worden, nachdem er einen malayischen Koch vier Tage lang eingesperrt hatte.

Gegen D. läuft laut Falter ein Strafverfahren wegen rassistischer Misshandlung, begangen im Rahmen einer Hausdurchsuchung. "Auch Rabensteiner selbst steht zur Zeit wegen Misshandlung vor Gericht", berichtet der Falter Ende März 2000. Die Aussagen, die Rabensteiner in diesem Zusammenhang von sich gab, sprechen für sich, etwa als er in Gegenwart eines Falter-Redakteurs zur Frau eines Verdächtigen meint: "Ihr Mann redet nur Scheiße." Er betreitet allerdings Begriffe wie "Negerhure" und "Bimboschlampe" zu "dieser Frauensperson" gesagt zu haben.
 

Das Gegenüber

"Dem jüngeren Kollegen ... blieb keine andere Wahl, er schoss dem Betrüger mit der Dienstwaffe durch das offene Seitenfenster in den Kopf", kommentiert der Kurier einen Fall der letzten Jahre. Der dabei "gerettete" Rabensteiner merkt an: "Solche Vorfälle gehören zum Beruf dazu; man muss immer damit rechnen, dass das Gegenüber zu einer Waffe greift." Er war bereits einmal davor schon in einen ähnlichen Vorfall verwickelt gewesen.

Die Presse berichtet in ihrer jüngsten Ausgabe (6.6.) von einem weiteren Fall in den letzten Jahren: Ein "offensichtlich Geistesgestörter, der Fahrgäste in der Straßenbahn bedrohte, wurde damals vom "Paradekieberer" erschossen. Rabensteiner erklärte -lt. Presse-, dass der Täter eine unvermittelte Körperdrehung gemacht habe, wodurch der Schuss statt in den Arm in den Oberkörper ging.

Und auch am 19. Mai des Jahres stießen Beamte des Kommissariats Ottakring auf so ein "Gegenüber":

Angeblich habe ein Verdächtiger, der festgenommen werden sollte, die Türe seine Wagens mit großer Wucht geöffnet. Die Autotüre traf einen Kriminalbeamten, ein Schuss aus seiner Dienstwaffe löste sich. Der Fahrer des Kleinbusses starb. Soweit die Darstellung der Polizei. "Glauben sie mir die Sache stinkt. Der Mann ist nicht so gestorben, wie es die Polizei schildert. Da wurde gepfuscht. Der Erschossene saß - linke Schulter links, rechte Schulter rechts - ganz normal im Auto. Das wird ein ordentliches Nachspiel bei Gericht haben.", zitiert der Falter (22/2000) einen vertraulichen Hinweis aus Ermittlerkreisen. Vieles an der Story, die der Polizeipräsident selbst in einer Aussendung verbreitete, ist widersprüchlich:

* Der Schusskanal im Körper des Toten und das Einschussloch hinter der Fahrzeugtür scheinen laut einem vorläufigen Gutachten der Staatsanwaltschaft Wien nicht zur Darstellung des Polizisten zu passen.

* Die Untersuchung des Fahrzeugs wurde unterlassen: Schmauchspüren am Fahrzeug hätten belegen können, dass der Schütze sich tatsächlich in Nähe des Fahrzeugs befand; das Fahrzeug wurde allerdings mehrere Tage lang einfach am Ort des Geschehens stehen gelassen, sodass nun wegen des zwischenzeitlichen Regens nichts mehr festgestellt werden kann. Der Leiter des Wiener Sicherheitsbüros meint zwar, die Tatortgruppe hat den Wagen genau untersucht, setzt aber nach: "Momentan ist mir das entführte Baby wichtiger, als diese Gschicht."

* Es gibt jüngste Untersuchungen, nach denen sich ein Schuss aus einer Glock-Pistole gar nicht unabsichtlich lösen kann, es sei denn der Polizist habe den Finger am Abzug der entsicherten Pistole gehabt, was gegen die Dienstvorschrift verstößt.

* Zur Tatzeit befand sich ein zweiter Mann am Beifahrersitz des Autos. Nach ersten Berichten der Polizei habe der Mann die Version des "unabsichtlichen Schusses" bestätigt. Im Protokoll befindet sich allerdings kein Hinweis auf die aufgestoßene Autotür.

* Letzten Meldungen zufolge war es der Todesschütze selbst, der die Verhöre der Augenzeugen am Kommissariat Ottakring vornahm!!!

* Ein Augenzeuge berichtete außerdem laut Falter, dass sich alles so abspielt haben soll: " Der Polizist hat gesagt: 'Bleib stehen du Sau', auf das Auto gezielt und dann abgedrückt."

Die Polizei bestreitet das. Ansonsten übt sie sich seit Bekanntwerden der Zweifel - ganz im Widerspruch zu ihren ersten Erklärungen - in Stillschweigen. Es wäre immerhin das erste Mal, dass die Polizei einen Unbewaffneten erschießt und die Öffentlichkeit falsch informiert, meint der Falter.

Die Beschuldigungen zu anderen Übergriffen am Rande dieses Vorfalls mehren sich indes: so sagt der Würstelstandbesitzer, der seinen Standplatz gegenüber des "Tatorts" hat: "Ich habe am nächsten Tag eine riesige Blutlacke vor meinem Stand aufgewischt. Die haben die Dealer ganz sauber verprügelt". Die Blutspuren wurden von der Polizei nicht sichergestellt. "Vielleicht hat wer anderer vorm Würstelstand gerauft", meint Rabensteiner, der bei der fragwürdigen Amtshandlung wieder einmal Einsatzleiter war. Einer der weiters beteiligten Beamten war übrigens der oben bereits erwähnte Andreas R.

Natürlich ist auch die Beschuldigung der Witwe des Erschossenen, sie sei am Kommissariat Ottakring geschlagen worden, Georg Rabensteiner eine Bemerkung wert: "Die Frau hat hysterisch herumgeschrien. Wir haben sie aber sicher nicht geschlagen."

Das Dreieck...

... Rabensteiner - Kommissariat Ottakring - SEK kann nicht aus reinem Zufall immer wieder auftauchen, wenn es - vorsichtig ausgedrückt - um äußerst problematische Vorfälle in der Wiener Polizei geht. Bis Ende des Sommers muss sich die SEK noch profilieren. Wer weiß, was wir da noch zu erwarten haben; Rabensteiners Aktivitäten werden sich jedoch nicht nur an der SEK messen lassen. Es steht zu befürchten, dass wir auch vom Kommissariat Ottakring wohl noch einiges zu berichten haben werden.
 


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